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Jedes Land regelt den Neustart nach Corona anders – wie vorher den Lockdown auch schon. Für Mittelständler, die ihren Kunden ins Ausland gefolgt sind, ist das eine gewaltige Herausforderung: Sie müssen sich um ihre Kunden vor Ort kümmern und gleichzeitig die unterschiedlichsten Regularien während der Krise kennen. Die Treuhandgesellschaft InterGest hat in den vergangenen Wochen mit ihren 52 Partnern weltweit rund 2.000 Firmen erst durch die Shutdowns begleitet und unterstützt sie jetzt beim Neustart. CEO Professor Peter Anterist gibt einen globalen Überblick darüber, wie sich Unternehmen gegen die Corona-Krise stemmen und welchen unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen sie ausgesetzt sind.

Herr Professor Anterist, was macht die InterGest Unternehmensgruppe jetzt, nach vier Monaten Corona, im Ausland noch für ihre Kunden?

Wir machen zuverlässig das Gleiche für unsere Klienten wie vor, während und sicher auch nach der Corona-Krise. Als Dienstleistungsgesellschaft sind wir in 52 Ländern präsent und übernehmen dort die Verwaltung von Auslandsniederlassungen meist deutscher Unternehmen: Finanzbuchhaltung, Personalabrechnung, Zahlungsverkehr, Reporting – alles Routineaufgaben, die wir in klar definierten Prozessen für unsere Klienten erledigen. Das trotz aller Herausforderungen unterbrechungsfrei hinzubekommen, darauf sind wir stolz.

Also sind Sie von Corona gar nicht so schlimm betroffen?

Doch natürlich, unsere Erlöse hängen direkt von den Umsätzen unserer Klienten im Ausland ab. Natürlich trifft uns das. Nur ist in der Corona-Krise nun eine neue Aufgabe auf uns zugekommen, nämlich das Krisenmanagement der Niederlassungen unserer Klienten. Viele von ihnen waren sehr erfolgreich unterwegs. Jetzt waren und sind sie oft erstmals gezwungen, Kurzarbeit oder Staatshilfen zu beantragen, und auch das haben wir für sie übernommen. Wohlgemerkt zusätzlich zu den „normalen“ administrativen Routine-Prozesse, die ja auch nicht gerade einfacher geworden sind.

Eine Herausforderung also auch für Ihr Netzwerk?

Gerne hätten wir einen Masterplan gehabt, den wir all unseren Partnern hätten in die Hand drücken können, eine Handlungsanweisung, die man weltweit hätte anwenden können. Aber eine solche Situation gab es ja so noch nie. Und uns allen war sehr schnell klar: Jedes Land, jede Regierung geht anders mit der Corona-Krise um. Jeder unserer Partner muss sich durch nationale Sonderregelungen erst einmal durchbeißen, bevor er das gewonnene Wissen bezüglich eines Lockdowns, eingeschränkter Mobilität, Kurzarbeit oder steuerlicher Unterstützung für unsere mittelständischen Klienten einsetzen kann.

Wie haben Sie und damit auch die Headquarter Ihrer Kunden eine Übersicht über die Lage gewonnen?

Wie alle anderen auch – durch stärkere digitale Vernetzung. Bereits an der ersten internationalen Konferenzschaltung mit unseren weltweiten InterGest Partnern nahmen 27 Länder teil. Die Berichte zeichneten ein sehr wildes Bild vom unterschiedlichen Umgang der Staaten mit dem sich ausbreitenden Virus. Unser Partner Sam Yuan war mit unserer Organisation in China der “Mann der ersten Stunde”. Er kämpfte bereits mit den drastischen Corona-Regelungen der Volksrepublik, als sogar das deutsche Robert-Koch-Institut die Gefahr für Deutschland noch als gering einstufte.

Werfen Sie den Ländern mangelnde Vorbereitung auf die Pandemie vor?

Nein, dass sich diese und viele andere Einschätzung letztendlich als falsch erwiesen haben, liegt sicherlich dem Mangel an Erfahrungen mit einer Pandemie in einer globalisierten Welt wie der heutigen. Alle virtuellen Pandemie-Planspiele der Vergangenheit, wenn sie denn überhaupt existierten, waren ja keine echte Hilfe. Über die Entwicklung einer richtigen Strategie, die auch die Grundlagen der Volkswirtschaften im Blick hat, gehen die Meinungen weltweit offensichtlich stark auseinander. Ein einheitlicher Bezugsrahmen, an dem sich Unternehmen mit vielen Niederlassungen im Ausland ausrichten könnten, existiert nicht.

Wie sahen und sehen dann die unterschiedlichen Anforderungen an Ihre Klienten aus?

Ein paar Beispiele: Italien lebte bereits mit der Ausgangssperre. Allen war klar, dass die Infektionszahlen ganz sicher unterschätzt wurden. Da meldete Indien, dass dort nur einige wenige Menschen erkrankt sein sollen und die Situation unter Kontrolle wäre. Der dann dennoch verordnete Shutdown war umso drastischer. Ob die heutigen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität national stimmen und ob dies als Erfolg des Shutdowns zu werten sind, darüber trauen wir uns immer weniger ein Urteil.

Ist denn wenigstens in Europa mit einem einheitlicheren Vorgehen der Länder zu rechnen?

Die Gemeinsamkeit ist, dass die Mittelmeerländer Spanien, Italien und Frankreich stark getroffen sind. Aber selbst hier waren die Maßnahmen doch recht unterschiedlich. Während in Italien niemand mehr auf die Straße durfte, waren in Frankreich immerhin noch Spaziergänge und Radtouren erlaubt, wenn auch zeitlich und geografisch eingeschränkt. Die Selbstauskunft, die man während des „confinement“ für jedes Verlassen des Hauses ausfüllen musste, zeigte einmal mehr die große Liebe der Franzosen zu strengen administrativen Regelungen. Noch dazu wurden viele dazugehörige Formulare Woche für Woche verändert. Das war teilweise verwirrend.

Die Regelungen treffen ja auch die Mitarbeiter in den Unternehmen, die sich darauf einstellen müssen…

Ja, aber eben unterschiedlich. Aus Dubai erfuhren wir, dass die Ausgangssperre sogar Hunde einschließt, d.h. dass man dort das Haus wirklich nur für Arztbesuche und Einkäufe verlassen darf. Für Hundebesitzer keine leichte Situation. Ungarn regelte alles durch feste Zeitfenster. Vormittags durften nur Personen über 65 in die geöffneten Geschäfte, allen anderen nur am Nachmittag. Immerhin gab es jeden Tag offene Geschäfte, mindestens bis 15.00 h. In Peru führte man Tage ein, an denen nur Männer einkaufen gehen dürfen, an anderen nur Frauen. Menschenschlangen um drei Blocks vor einem Supermarkt hat das aber nicht verhindert. In Brasilien sieht der amtierende Präsident im Virus hartnäckig keine außergewöhnliche Gefahr. Viele seiner 26 Gouverneure schlugen aber Alarm und leiteten gegen seinen Willen Shutdowns ein.

Wie sieht diese Vielfalt dann bei den Wirtschaftsprogrammen gegen die Corona-Krise aus?

Beispiele auch hier: Die Golfstaaten UAE, Bahrain und Qatar – durch den sinkenden Ölpreis ohnehin bereits wirtschaftlich angeschlagen – haben für Unternehmen grundsätzlich keine staatlichen Beihilfen vorgesehen. Die Folge: Kündigungswellen mit knallharten Konsequenzen für Gastarbeiter und „Expats“: Wer in dieser Region seinen Job verliert, muss binnen vier Wochen das Land verlassen und in sein Heimatland zurückkehren, ohne dort irgendeine Perspektive zu haben. Der Gegensatz: Ungarn. Dort war Kurzarbeitergeld bis dato nicht bekannt, es wurde aber im Eilverfahren eingeführt, zusätzlich zu zinslosen Krediten oder der Stundung von Steuerschulden. In Russland verpflichtete Präsident Putin die Unternehmen schlichtweg dazu, die Angestellten in bezahlten Urlaub zu schicken, ungeachtet der Tatsache, dass den meisten Firmen die Einnahmen fehlen. Vorbildlich dagegen Singapur, das seine Unternehmen samt Kleinstunternehmern wie Taxifahrern unterstützt und harte Quarantäne-Maßnahmen durchsetzt. Wir dokumentieren diese Dinge und stellen sie unseren Klienten auf Anfrage zur Verfügung.

Haben Sie aus diesen Erfahrungen selbst schon eine Idee entwickelt, wie die Zeit nach Corona aussehen wird?

Welche der nationalen Strategien die richtige ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch niemand beurteilen. Wir denken, dass ja jede Regierung für ihr Land das Beste will. Wir wissen aber auch, dass es Gewinner und Verlierer geben wird. In jedem Fall sind wir überzeugt, dass die Frage, wie Internationalisierung geht, noch einmal neu gestellt werden muss. Wenn jetzt jeder ZOOM oder TEAMS beherrscht und anwendet, dann wird sich der ein oder andere Interkontinentalflug vielleicht erübrigen. Andererseits muss sichergestellt werden, dass die Muttergesellschaft nicht die Kontrolle über die Auslandstöchter verliert, weil regelmäßige Besuche z.B. der internen Revision an den Bildschirm verlegt werden. Das ist sicher verführerisch und bis zur endgültigen Beherrschung des Corona Virus allerhöchstens eine Interimslösung. Genau hier sehen wir auch für Treuhandgesellschaften und Dienstleister wie InterGest einen völlig neuen Ansatz, denn wir erledigen ja nicht nur die Administration vor Ort, wir sind auch lokaler Stadthalter und Kommunikationszentrale. Wir geben den Unternehmen die gebotene Transparenz, die im internationalen Geschäft und der Unternehmenssteuerung so wertvoll ist.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung Ihrer Meinung nach für das internationale Geschäft?

Wir wurden alle durch die Corona-Krise gezwungen, unsere Digitalisierung stark voranzutreiben. Dies ist uns selbst, in Zusammenarbeit mit unseren Klienten, sehr gut gelungen und wir sind stolz, dass wir Corona u.a. an dieser Stelle zur Optimierung nutzen konnten. Wir wissen aber auch, dass die Technik zwar hilfreich ist, um miteinander in engem Kontakt zu bleiben, aber dass sie auf Dauer den persönlichen Austausch nicht ersetzen kann. Keine Videokonferenz wird jemals ein gemeinsames Abendessen mit meinem Klienten oder InterGest Partner in einem guten Restaurant vor Ort ersetzen können. Es sind diese persönlichen Treffen, die eine echte Vertrauensbasis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen, und ich freue mich sehr darauf, wenn ich wieder auf Reisen gehen kann, um genau dies zu tun.