Peter Friedrich war Baden-Württembergs Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten. Zum”Annual Forum” der EU-Donauraumstrategie 2015 in Ulm beschrieb Friedrich die Rolle der Donauregion in Europa und für das Land Baden-Württemberg.
Welche wirtschaftliche Rolle spielt die Donauregion für Baden-Württemberg und die wirtschaftliche Entwicklung Europas?
Das wirtschaftliche Entwicklungspotential im Donauraum ist sehr hoch. Schon heute exportiert Baden-Württemberg mehr Produkte in die Donauraumstaaten als nach Frankreich. Darüber hinaus sind sowohl größere Unternehmen als auch Mittelständler aus Baden-Württemberg stark in den Ländern des Donauraums engagiert. Wir haben also auch ein starkes wirtschaftliches Interesse an einer prosperierenden Region mit exzellent ausgebildeten Fachkräften.
Warum engagiert sich das Land so stark im Rahmen der Donauraumstrategie der EU? In welchem Bereich bringt das Bundesland Kompetenzen und eigene Finanzmittel ein?
Für Baden-Württemberg ist die EU Strategie für den Donauraum ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In erster Linie wollen wir die Lebensbedingungen der ca. 110 Mio. Menschen entlang der Donau verbessern. Eine besondere Chance der Strategie liegt darin, dass dabei EU Mitgliedsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten gleichermaßen einbezogen werden. Die Prioritäten für das Engagement Baden-Württembergs liegen in den Bereichen, in denen wir als Land auch unsere Stärken sehen, also etwa im Bereich der beruflichen Qualifikationen, der Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen, dem Ausbau von Umwelttechnik und erneuerbaren Energien sowie der Stärkung von Verwaltungskapazitäten und der Zivilgesellschaft. Für diese Projektbereiche hat das Staatsministerium Baden-Württemberg einen eigenen Projektefond eingerichtet – dies ist einmalig im ganzen Donauraum. In den Jahren 2012 – Mitte 2015 konnten so bisher insgesamt 45 Projekte mit einem Gesamtvolumen von ca. 1,76 Mio. € unterstützt werden. Wichtig ist, dass die eingesetzten Projektmittel eine Hebelwirkung entfalten und auch Mittel aus anderen Quellen, beispielsweise der EU oder privaten Stiftungen sowie Eigenanteile der Träger mobilisiert werden.
Wie wichtig ist für Sie das Kriterium der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit bei den Projekten, die das Land anregt und unterstützt? Wie lässt sich ein solcher Ansatz in der Praxis realisieren und sichern?
Nachhaltigkeit steht bei allen Projekten an erster Stelle. Gerade als Baden-Württemberger sind wir hier in einer besonderen Verantwortung, denn viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben Wurzeln im Donauraum. Die persönlichen, familiären und kulturellen Verbindungen sind eng, das bietet riesige Chancen für eine langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit, gerade im persönlichen Miteinander. Innerhalb des Staatsministeriums haben wir den bereits erwähnten Donauprojektefonds, mit dem wir EU-Finanzierungsmittel zusätzlich ergänzen möchten. Damit wollen wir langfristig wirkende Projekte in Gang setzen. Auch die Baden-Württemberg Stiftung unterstützt im Rahmen der Ausschreibung „Perspektive Donau“ eine Reihe zivilgesellschaftlicher Projektträger bei der Umsetzung von Maßnahmen der Armutsbekämpfung in Südosteuropa, auch hier kommen nachhaltig wirkende Projekte zum Zug.
Warum ist für Baden-Württemberg eine moderne duale berufliche Ausbildung so wichtig? Wird sie heute in der Region denn schon ausreichend akzeptiert – von den Menschen und von den nationalen Bildungspolitikern?
Es sollte uns zu denken geben, wenn Unternehmen in der Region trotz teilweise hoher Arbeitslosigkeit Schwierigkeiten damit haben, geeignete Fachkräfte für ihre Niederlassungen zu finden. Bei uns bietet die duale Ausbildung jungen Menschen sehr gute Karrierechancen, dies sollten wir auch international stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Leider musste ich bei meiner Reise im September 2015 nach Rumänien und Bulgarien feststellen, dass oftmals die Meinung vorherrscht, Hochschulabschlüsse seien einer beruflichen Ausbildung generell vorzuziehen. Hier muss dringend Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit sich die Akzeptanz für Ausbildungsberufe erhöht. Unternehmen aus Baden-Württemberg engagieren sich in Ländern wie z.B. Rumänien, Bulgarien oder der Slowakei sehr stark. Die Masse der in Pilotprojekten ausgebildeten Berufsschüler werden im Anschluss an ihre Ausbildung in die dortigen Betriebe übernommen. Diese erfolgreichen Absolventen sollten zu „Botschaftern der dualen Bildung“ werden und könnten authentische Überzeugungsarbeit leisten.
Sie waren zuletzt im September vor Ort. Wie ist Ihr Eindruck von der Entwicklung bei den vom Land geförderten Projekten? Wie gelingt das Zusammenspiel von zivilgesellschaftlichen Initiativen, Unternehmen und Behörden?