Wie geht eigentlich „Markterschließung“ in Indien? Gibt es einen „indischen“ Königsweg? Macht man das tatsächlich so ganz anders als in Deutschland oder sonst wo in der Welt? Ist man ohne einen indischen Partner und seine, wie er immer wieder betont, so hervorragenden Kontakte zu Behörden, zur Politik und seine Kenntnis der „Szene“ wirklich hilflos? Oder funktioniert Indien im Prinzip wie der Rest der Welt auch?
Dr. Johannes Wamser DR. WAMSER + BATRA GMBH
Schauen wir uns doch dazu erst einmal an, was man als ausländisches Unternehmen in Indien machen darf und was nicht: Sie können aus Deutschland nach Indien exportieren oder dort einen Handelsvertreter beauftragen. Sie können eine Vertriebsgesellschaft grün den oder auch eine Produktionsniederlassung. Sie können sich an einem Unternehmen beteiligen oder auch in Gänze übernehmen. Auch die Entscheidung, ob sich alleine „trauen“ oder doch lieber mit einem indischen Partner in einem Joint Venture zusammenarbeiten wollen, liegt ganz bei Ihnen.
HANDELSVERTRETUNG
Hier bedient sich der deutsche Lieferant eines indischen Handels- / Vertriebsunternehmens, das seine Ware entweder für eigene Rechnung ein- und verkauft, oder aber – im Fall von Direktgeschäften – für vermittelte Geschäfte eine Provision erhält.
Dieses Szenario ist auch heute noch die häufigste Form des Markteintritts deutscher Unternehmen. Den Vorteilen dieser mit einem relativ geringen Aufwand verbundenen Form des Markteintritts stehen gegebenenfalls in der Praxis deutliche Nachteile gegenüber – in letzter Konsequenz die nicht vorhandene Möglichkeit, Abläufe, Prioritäten oder das Erreichen strategischer Ziele selber bestimmen bzw. beeinflussen zu können. Unbefriedigend können darüber hinaus Aspekte sein wie nicht verfügbare Kunden- / Marktinformationen etc. Der deutsche Lieferant bleibt im Prinzip „außen vor“, d.h. die eigentlich gewünschte Beziehung zum Markt kommt nicht zustande, ist aber in jedem Fall von der Kooperationsbereitschaft des indischen Vertreters abhängig.
HÄUFIGE PROBLEME
Doch in der Praxis beginnen die Probleme meistens viel früher: Häufig ist es die Auswahl eines letztendlich ungeeigneten Vertreters, z.B. weil er gar nicht die erforderliche Kompetenz und auch nicht den wirklichen Zugang zur Industrie bzw. den relevanten Entscheidern hat. So kann ein indischer Handelsvertreter durchaus z.B. einfache Drehbänke vertreiben, das heißt aber noch lange nicht, dass er dasselbe auch für modernste kundenspezifische Zerspanungsmaschinen tun kann. Im Premiumsegment gelten nun mal andere Regeln und Anforderungen. Und so verfliegt dann auch häufig sehr schnell Ihre und die anfängliche Euphorie des Handelsvertreters, wenn er in der Praxis dann feststellen muss, dass es doch nicht so einfach ist, die hochmodernen, aber auch entsprechend teuren deutschen Hochleistungsprodukte an den Mann zu bringen. Ein anderes Problem, das wir ebenfalls häufig in der Praxis beobachten, ist das des „satten Vertreters“. Gemeint ist die Situation, in der ein Handelsvertreter nach einigen Jahren einen Geschäftsumfang erreicht hat, der ihm vollkommen ausreicht. Die Vertriebsanstrengungen lassen dann spürbar nach und Ihr Geschäft stagniert. Meist kommt dann noch hinzu, dass auch der Informationsfluss zur aktuellen und erwarteten Markt- und Wettbewerbssituation mehr oder weniger versiegt und irgendwann stellen Sie fest, dass Sie bzw. Ihr Geschäft von der Realität überholt worden ist. Appelle an den Vertreter, die Aktivitäten zu erhöhen, verlaufen zumeist im Sande, aber aus dem Vertretungsvertrag kommen Sie auch nicht so einfach raus – manchmal müssen Sie dafür richtig zahlen. Eine Empfehlung: Überprüfen Sie regelmäßig die Entwicklung Ihres Geschäftes in Indien und wenn Sie zu der Meinung kommen, dass eigentlich „mehr drin sein müsste“, sollten Sie keine Kompromisse eingehen, sondern eventuell auch eine eigenen Gesellschaft erwägen.
Auf eine typische Unart indischer Handelsvertreter möchten wir noch zu sprechen kommen: Das so genannte „Brand Hopping“, d.h. das Verwenden Ihrer Marke, um an weiter Marken heranzukommen. Zumeist ist man eher an den kurzfristigen Erfolgen orientiert und daher auch schnell bereit, sich Ihrem Konkurrenten zuzuwenden, wenn denn dort die Marge eben ein bisschen besser als bei Ihnen ist. Einige „besonders schwarze Schafe“ bemühen sich sogar intensiv um Sie, alleine um Ihre Marke und Ihre Reputation dazu zu verwenden, um an weitere attraktive Prinzipale herantreten zu können.
Zu guter Letzt sollten Sie noch wissen, dass in Indien Handelsvertreter nicht immer das beste Ansehen haben. Handelsvertreter werden von den Endkunden häufig als „Parasiten“ gesehen, die nicht wirklich etwas leisten, dafür aber das Produkt direkt teurer machen. Wenn Sie denken, dass Sie ohne einen Handelsvertreter keine Kunden in Indien ansprechen, irren Sie sich. Eine direkte Ansprache durch das deutsche Unternehmen ist oft viel wirksamer als die Ansprache durch einen Handelsvertreter. Leider ist es aber auch in der Praxis nicht einfach, den wirklich „guten“ Handelsvertreter zu finden.
ZUVERLÄSSIGKEIT
Sie werden zwar auf jeder Messe von dutzenden Indern angesprochen und weitere Adressen finden Sie in den Datenbanken der Kammern und Verbände, verlässliche Aussagen über die Qualität der jeweiligen Interessenten erhalten Sie damit natürlich nicht. Hier hilft nur eine wirklich fundierte Recherche, die vom Umfeld des jeweiligen Industriesektors, über das in Frage kommende Unternehmen bis hin zu Empfehlungen durch wichtige Endabnehmer reichen sollte. Als durchaus hilfreich hat sich auch die Forderung erwiesen, vor Abschluss eines Vertretungsvertrages einen detaillierten Marktbericht sowie einen Aktionsplan einzufordern – hier trennt sich dann sehr schnell die Spreu vom Weizen!
Es ist immer wieder überraschend zu sehen, wie leichtfertig viele Deutsche Unternehmer in Indien einfach mit „irgendeinem“ Handelsvertreter eine Zusammenarbeit beginnen, ohne diesen vorher ausreichend sorgfältig bewertet zu haben. Bei einem Mißerfolg waren es mal wieder diese „schlitzohrigen Inder“. Dass man selbst einen gehörigen Teil der Schuld mitträgt fällt dabei natürlich unter dem Tisch.