fbpx

 

© Mike Knell / f…r

© Mike Knell / f…r

Besonders Unternehmen in Grenznähe machen oft diesen Fehler: Um Kosten zu sparen fahren die eigenen deutschen Außendienstmitarbeiter schnell ins Nachbarland, um Firmenprodukte zu verkaufen.  Professor Peter Anterist, CEO der  weltweit agierenden Treuhandgesellschaft InterGest, beschreibt hier einen entsprechenden Fall, der erfolglos endet, ja erfolglos enden muss.

Ach wie schön ist doch die Schweiz. Die Berge sind beeindruckend, die Schokolade betörend und das Schweizerdeutsch irgendwie sympathisch. Und als wenn das nicht alles schon genug wäre, haben die Bürger des Alpenstaates auch noch reichlich Geld und sind konsumfreudig.

Was liegt also näher als von Süddeutschland aus zumindest die deutschsprachige Schweiz zu erobern und die allseits geschätzten Produkte der Pfleiderer GmbH auch dort zu vertreiben.

Herr Pfleiderer Junior stellt in Konstanz am Bodensee, Grenzstadt zur Schweiz, in der dritten Generation hochwertige Einbauküchen her. Seine Küchen – Qualität aus deutschen Landen – sind sehr beliebt, aber teuer, was sie für den Schweizer Markt geradezu prädestiniert.

Bisher wurden noch keine großen Vertriebsaktivitäten in die Schweiz gelenkt, aber es war unübersehbar, dass immer mehr Schweizer eine Pfleiderer Küche wollten und sich daher anschickten nach Deutschland zu fahren und dort die Küche zu bestellen. Ein einträgliches Geschäft mit hohem Wachstumspotential.

Herr Pfleiderer wollte nun Nägel mit Köpfen machen und stellte sich vor, die gesamte Schweiz demnächst mit seinen hochwertigen Küchen zu beliefern. Einen Steuervertreter hatte er schon im Land, denn durch seine Montagetätigkeiten beim Küchenaufbau benötigte er diesen. Der nächste Schritt, nämlich die Gründung einer eigenen Schweizer Niederlassung, konnte daher recht unproblematisch von dem bekannten lokalen Steuerberater durchgeführt werden.

Aus Kostengründen wollte Herr Pfleiderer erst einmal auf einen Showroom verzichten und entschied sich für den Vertrieb über lokale Messen und Ausstellungen sowie einem extra von ihm entwickelten Direktvertrieb nach dem Modell „Vorwerk“, welches er sehr erfolgreich in Deutschland betrieb. Seine geschickten und gut geschulten Verkäufer mussten sich nur Zugang zu Haus oder Wohnung des potenziellen Kunden verschaffen und dann direkt vor Ort mittels selbst entwickelten Computersimulation die mögliche neue Küche dem staunenden Kunden virtuell aufbauen. War man einmal so weit, rückte der Auftrag in greifbare Nähe.

Sein Vorteil war auch, dass er dank recht hoher Margen mit nur wenigen Aufträgen gut leben konnte.

Nun sollte das also in die Schweiz übertragen werden und es sprach nichts gegen einen vollen Erfolg.

Der Katalog wurde weitestgehend gelassen wie er war, nur die Preise wurden in Schweizer Franken ausgewiesen und die deutschen Vertriebsmitarbeiter bekamen so etwas wie ein interkulturelles Training von der Frau von Herrn Pfleiderer, die immer wieder in Zürich einkaufen geht und sich prima mit dem Schweizern versteht.

Jetzt wurden die einzelnen deutschen Außendienstmitarbeiter gewissen Gebieten zugeteilt, sodass ein weites Dreieck zwischen Basel, St. Gallen und Luzern gut zu erschließen war.

Voll motiviert gingen alle ans Werk. Nach einer Woche gab es schon einen Auftrag, nach drei Wochen einen weiteren, aber als es dabei erst mal blieb, verschwand die gute Laune nach und nach.

In der ersten Krisensitzung des Vertriebs mit der Geschäftsleitung wurde klar, dass das Problem vor allem war, dass die Vertriebsmitarbeiter von den eidgenössischen Nachbarn einfach nicht in die Häuser und Wohnungen eingelassen wurden. Zwar kamen die Schweizer auch an die Tür, wenn einer klingelte, aber spätestens nach dem oft etwas unbeholfenen „Gruezi“, wurden die Jungs und Mädels der Pfleiderer GmbH freundlich aber bestimmt abgewiesen.

Alles wurde nun versucht, um das zu ändern, sogar ein Sprachkurs für Schweizerdeutsch wurde angedacht. Es half aber alles nichts, die Küchen konnten über diesen Weg nicht verkauft werden und die vielen Stunden des vergeblichen Vertriebs und die vielen gefahrenen Kilometer auf den Schweizer Straßen gingen immer mehr zu Lasten des Budgets.

Was war also passiert?

Die Geschäftsleitung der Pfleiderer GmbH war fälschlicher Weise davon ausgegangen, dass der deutsche Vertrieb einfach eins zu eins in die Schweiz übertragen werden könne, noch dazu mit deutschen Außendienstmitarbeitern. Es ist häufig zu sehen, dass deutsche Unternehmen, gerade im grenznahen Bereich den entscheidenden Fehler darin begehen, dass sie zwei sehr unterschiedliche Dinge mit einander verwechseln. Das Eine ist die Beliebtheit der deutschen Produkte im Ausland und das andere ist die (Un-)Beliebtheit der Deutschen selbst im Ausland – zwei Dinge, die unterschiedlicher gar nicht sein könnten.

Durch das Auftreten des deutschen Außendienstmitarbeiters an der Haustür des potentiellen Schweizer Kunden an der Haustür hatte der schon verloren. Die Schweizer wollten diesen Vertreter aus dem Ausland, der nicht einmal akzentfrei „Gruezi“ sagen konnte einfach nicht rein lassen – warum auch, wenn man da bei den Landsleuten schon skeptisch und zurückhaltend ist, wie dann erst bei Ausländern!  Hätte Herr Pfleiderer die Investition nicht gescheut Schweizer Mitarbeiter anzustellen und diese zu schulen, wäre der Erfolg wahrscheinlich eingetreten.

Dies ist übrigens kein typisch Deutsch / Schweizer Problem. Ein Sprichwort beschreibt so auch sehr schön das Verhältnis von Deutschen und Franzosen. Es lautet: Die Deutschen mögen die Franzosen, nehmen sie aber nicht ernst. Die Franzosen hingegen nehmen die Deutschen ernst, mögen sie aber nicht.

Online erhältlich bei:

amazon