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Kennen Sie Emmingen ab Egg? Waren Sie schon mal in Ruda Slaska? Dort könnten Sie sich – wenn Sie Dr. Rolf Leiber besuchen- ein persönliches Bild davon machen, wie Deutschlands industrieller Mittelstand funktioniert. Und wie es dabei zu einer nachhaltigen Produktion im Ausland – in diesem Fall in Polen  – kommt.

Rolf Leiber, Leiber Group

Um die Erfolgsgeschichte der Leiber Group zu verstehen, muss man gar nicht mit den Pressmaschinen für Spätzle und den Fleischwölfen anfangen, die Firmengründer Valentin Leiber in den Nachkriegsjahren herstellen ließ. Heute wächst das Unternehmen auch in der Luftfahrtindustrie, für die in Emmingen superstabile Füße für Flugzeugsitze hergestellt werden. Leiber-Produkte sind auch hybridgeschmiedete Antriebswellen oder Bremsscheibentöpfe, die die Automobilindustrie serienweise verbaut, um damit Gewicht und Kraftstoffverbrauch zu reduzieren.

Das tun auch die neuen LKW-Luftbalgträger im bionischen Design und mit der patentierten superharten Legierung Aluxtrem gefertigt: 50 Prozent leichter als die aus Stahl. Dass Daimler dafür als Kunde gewonnen werden konnte, ist für Rolf Leiber ein “Ritterschlag” gewesen. Sein “Customer Focus Team Automotive” hat sich dafür auch monatelang unter Lkw gelegt und ganz genau studiert, welches gewichtige Teil  sie mit Aluminium ersetzen könnten.  

Die eigene Entwicklung mit Fokus auf dem zukünftigen Kundenbedarf ist das eine Erfolgsrezept, die Beherrschung der Produktion das zweite. Rolf Leiber ist mit beidem bewusst einen anderen Weg gegangen als viele Schmiedewerke: “Outsourcing von fast allem – das macht dich in der Konkurrenz beliebig ersetzbar.”

“Outsourcing von fast allem – das macht dich in der Konkurrenz beliebig ersetzbar”

Mit Erfolg deckt man im Emminger Werk nun eine ganze Wegstrecke entlang der Wertschöpfungskette im Leichtbau ab: Das fängt an bei der Vorentwicklung, mit der man gezielt auf mögliche Referenzkunden zugehen kann. Für die Qualität der Vorprodukte – Legierungen, mit denen man einzigartige Materialeigenschaften des Aluminiums erreicht – sorgt die Leiber-Group selbst und teilt hier sogar tiefes Wissen mit den Lieferanten. Man weiß, dass diese damit ohne das nachfolgende Prozesswissen die Konkurrenz gar nicht so recht bedienen könnten.

Die integrierten Produktionslinien, die wie Autobahnen A1, A2 heißen, sind das Herzstück der Fertigung in Emmingen. Materialaufgabe, Vorwärmen, Schmieden, Abgraten, Abschrecken und dann Strahlen – die einzelnen Stationen und die Roboter sind verknüpft. Hohe Stückzahlen laufen hier automatisch durch. Damit erreicht LEIBER die Ziele bei der Produktivität. Mit Knickarmrobotern, die in ganz kurzer Zeit auf neue Produkte eingestellt werden können, können die Kundenwünsche nach Individualisierung des Produkts erfüllt werden. Rolf Leiber: “Das ist unsere Zukunft. Automatisieren, höherwertige Arbeitsplätze, höhere Löhne, mehr Produktivität – das ist schon die richtige Strategie.”

Für den Standort in Polen gilt diese Perspektive langfristig auch: Aber noch ist dort die lohnintensive Fertigung konzentriert und wird sogar ausgebaut. Rolf Leiber weiss, dass er um im harten Wettbewerb der Zulieferer mithalten zu können, dort die kleinen und arbeitsintensiven Serien fertigen muss, die sich in Emmingen nicht mehr rechnen würden. In diesem Jahr hat Leiber im schlesischen Ruda Slaska, wo seit 1995 produziert wird, eine weitere Produktionslinie mit fast 3000 Quadratmetern eingerichtet. Insgesamt sind jetzt dort 350 Mitarbeiter beschäftigt.

An Polen gefällt Rolf Leiber vieles. Unternehmerisch, dass sich zwischen Produktivitäts- und Lohnkostenentwicklung “keine Schere” öffnet. “ Im Gegenteil, wir haben dort sogar Produktivitätssteigerung, die die zweistelligen Lohnkostensteigerungen kompensieren ”, lobt Leiber den Standort. Das war beim Versuch, in Spanien ein Werk zu halten, nicht gegeben. “In der Krise war das dann nicht mehr machbar” bedauert Leiber den Rückzug von der iberischen Halbinsel. “Wir haben uns für die Werke in Deutschland und Polen  entschieden.”  

Und das bereut Leiber nicht. “Polen ist bei den Stückkosten für uns zum Benchmark geworden.” In Ruda Slaska kommen Verfahren und Maschinen sofort zum Einsatz, mit denen in Emmingen erst experimentiert werden musste. “Die Werksplanung ist in Polen homogener”, nennt Leiber einen weiteren Faktor. “Seit 1995 planen wir dort generalstabsmäßig.”  Von der Mannschaft in Polen ist Leiber begeistert: “Das ist eine unglaubliche Arbeitsdisziplin und Termintreue.” Leiber, der das Werk von Anfang begleitet hat, war früher jeden Monat in Polen, jetzt nur noch alle drei Monate. “Das funktioniert so gut, ich kann da lange Leine lassen.”

Lange Vorentwicklungen finden allerdings immer noch in Deutschland statt. “Da brauche ich die jungen und frechen Köpfe hier dazu,” lobt Leiber die gute und vor allem praxisorientierte Ausbildung, die er sich auch irgendwann für Polen wünscht. Nur die weitere persönliche Entwicklung und Verantwortung im Unternehmen schaffe die Basis dafür, dass in der Praxis qualifizierte Mitarbeiter bleiben – auch wenn der Arbeitsmarkt in Süddeutschland jeden denkbaren Wechsel möglich macht.

“Bei den Jungen habe ich es geschafft”. Bei der Besichtigung Leiber ist riesig stolz darauf, dass er das Verbauen und Aufrichten einer Schuler-Presse für eine neue Produktionsstrasse im geschätzten Wert von acht Millionen einem ganz jungen Mitarbeiter vollständig anvertraut hat. “Das spricht sich rum, dass man bei uns früh viel Verantwortung übernehmen kann”, beschreibt er die praktische Werbewirkung.

Der Blick von Rolf Leiber ist in die Zukunft gerichtet. Aus den 50 Millionen DM Umsatz, seit er die Firma als Geschäftsführer übernahm, sind in der Zwischenzeit 120 Millionen Euro geworden. Über zwei Jahrzehnte ist die Firma fast jedes Jahr zweistellig gewachsen. Ob das in den nächsten Jahren so weiter geht? Rolf Leiber schüttelt den Kopf: “Das ist gar nicht mein Ziel.” Wachstum, Rentabilität  und finanzielle Reserven sind für Leiber lediglich ein Mittel, das Familienunternehmen weiterentwickeln zu können. Er will auch für mögliche Krisen gewappnet zu sein: “Beim nächsten Lehman will ich keinen Flattermann kriegen”.

Neue internationale Märkte nimmt sich Leiber noch nicht vor, obwohl der Ruf seiner Kunden nach local content unüberhörbar ist. Asien, China, USA – an den “global footprint” traut sich der Unternehmer noch nicht – zumal ihm die Ideen hierzulande nicht ausgehen. “Mit acht Prozent Wachstum – bedient aus den beiden Werken – kommen wir gut zurecht.”

Sein Ziel ist ein sowieso ein anderes: “Ich will, wenn ich aufhöre, einen blitzsauberen Betrieb haben.” Und das meint er sogar wörtlich, nicht nur bei der Bilanz.  “Produktion ohne Graphit, eine wirklich saubere Fertigung.” Und er fügt hinzu:  “Die auch ohne mich auskommt. Ich will, dass meine Leute darauf stolz sind, hier zu sein.”