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Das Automatisierungsunternehmen Pilz ist  mit 40 Tochtergesellschaften und Niederlassungen auf allen Kontinenten vertreten. Renate Pilz, die Geschäftsführende Gesellschafterin der Pilz GmbH, im Gespräch über Werte, Fachkräftemangel und die internationalen Märkte.

Renate Pilz, Vorsitzende der Geschäftsführung der Pilz GmbH & Co. KG, © Andy Ridder

Wie sind Sie durch die Krise 2009 und regionalen Krise wie in Südeuropa oder Russland gekommen?

Die Krise hat uns damals alle gewaltig durcheinandergewirbelt, diese extreme Bewegung nach unten und im Anschluss wieder nach oben, war etwas noch nie Dagewesenes. Dass Pilz danach bis heute so wachsen konnten, liegt auch daran, dass wir in der Krise niemand entlassen mussten. Das liegt im Übrigen auch an Regierung und Tarifpartner, die damals weitsichtig und gut reagiert haben.

Das Unternehmen Pilz ist auf langfristigen Erfolg ausgerichtet. Kompetenzen und Kapazitäten in den Bereichen Entwicklung und Produktion werden intern und damit nachhaltig aufgebaut. Strategie ist es, innovative Ideen aufzugreifen und langfristig weiterzuverfolgen. Insgesamt waren wir also nach der Krise sehr gut aufgestellt und konnten die Chancen nutzen.

Was Südeuropa und Russland betrifft: Mit seinem Portfolio ist Pilz in der Lage, sich auch in Ländern zu behaupten, in denen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwierig sind. Die schwierige wirtschaftliche Situation bremst zwar die Investitionen in neue Maschinen. Gleichzeitig steigert sie aber die Nachfrage nach Automatisierungs- Lösungen, mit denen sich Effizienz und Sicherheit von vorhandenen Maschinen und Anlagen steigern lassen.

Welche Auslandsmärkte, welche Auslandsniederlassung hat Sie positiv am meisten überrascht?

Jede neue Gründung einer Tochtergesellschaft stellt zunächst eine Herausforderung dar. Dankbar bin ich daher , dass sich bis heute jede Tochter auf ihre Art positiv entwickelt hat.

Wie wissenschaftlich betreiben sie die Standortwahl? Oder anders gefragt: Welche Rolle spielen zufällige Momente, persönliche Faktoren, temporäre Opportunitäten?

Wir gründen Landesgesellschaften in Ruhe und bauen diese kontinuierlich auf. Dabei legen wir als Familienunternehmen Wert darauf, dass in unseren Tochtergesellschaften die jeweils gleichen Führungsprinzipien angewandt werden, wie wir sie in Deutschland pflegen. Das geht am besten, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter aus dem jeweiligen Land stammen. Sie bringen ein funktionierendes Netz mit Kontakten mit, kennen die Mentalität – denn es ist ja die eigene. Und, vielleicht der bedeutendste Punkt: unsere Führungskräfte und Mitarbeiter sprechen die gleiche Sprache wie unsere Kunden vor Ort. Direkter Kundenkontakt ist unabdingbar, um Kundenbedürfnisse aus erster Hand zu erfahren und diese dann gut zu erfüllen. In unseren Tochtergesellschaften werden die jeweils gleichen Führungsprinzipien angewandt, wie wir sie in Deutschland pflegen.

Wie sehen Sie Pilz im globalen Wettbewerb positioniert – aus welchen Märkten kommen ihre schärfsten Wettbewerber?

Pilz ist zum einen in der Lage, Kunden nicht nur mit einzelnen Komponenten und Systemen zu beliefern, sondern ihnen mit kompletten, sicheren Automatisierungslösungen einen Mehrwert zu bieten. Das Thema Services spielt dabei eine zentrale Rolle. Unsere Betreuung der Kunden entlang des gesamten Lebenszyklus einer Maschine und Anlage ist in dieser Qualität weltweit einmalig. Als weltweiter Botschafter der Sicherheit will Pilz auch in Ländern, die nicht über entsprechende Normen und Richtlinien zur Maschinen- und Betriebssicherheit verfügen, das Sicherheitsbewusstsein schärfen. Unternehmen verstehen weltweit immer mehr, dass sich, vom menschlichen Leid ganz abgesehen, Sicherheit auch wirtschaftlich lohnt. Erklärtes Ziel von Pilz ist es daher, gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und öffentlichen Stellen weltweit eine Kultur zu schaffen für den Schutz von Mensch, Maschine und Umwelt.

Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgskriterien beim Aufbau einer effizienten Vertriebsstruktur?

Pilz hat seit den 60er Jahren nicht nur ein weltweites Vertriebs-, sondern auch ein Kompetenznetz aufgebaut. Die Pilz International Service Group mit Sitz in Irland koordiniert internationale Projekte wie beispielsweise für die Zertifizierung von Anlagen großer Produzenten aus der Konsumgüterindustrie. Pilz ist in der Lage, grenzüberschreitend lokales Wissen anzuwenden und über Ländergrenzen hinweg zu arbeiten. Diese Fähigkeit Wissen zu transferieren zeichnet Pilz aus und macht das Unternehmen zum Partner international aufgestellter Großkonzerne.

Wie stehen Sie zu Technologiekooperationen? Wie sind diese mit unterschiedlichen Partnern und Kunden weltweit zu managen?

Wir stehen dem sehr positiv gegenüber und haben gute Erfahrungen damit gemacht.

Nach Vertrieb und Service und der Produktion im Ausland – folgen bald auch Elemente von F&E? Bleibt “tiefes Wissen” im Haus, am heimischen Standort?

Pilz hat die Entwicklung und Produktion seiner Kernprodukte am Stammsitz unter einem Dach vereint. Diese enge Zusammenarbeit und kurzen Wege sind Voraussetzung für schnelle und reibungslose Markteinführungen. Alle Abteilungen erhalten ständig Rückkopplungen zu ihrer Arbeit und es entsteht ein gegenseitiges Verständnis für die Arbeit des Anderen. Die Transparenz steigt. Schnittstellenprobleme zwischen einzelnen Gruppen sind geringer. Die Wege sind also nicht nur räumlich gesehen kurz, sondern auch geistig.

Und gemäß unserer „Local for Local“-Strategie wollen wir dort produzieren, wo unsere Produkte zum Einsatz kommen, z.B. in China, und reduzieren so beispielsweise Umwelt belastende Transporte. In unserem neuen Produktions- und Logistikzentrum haben wir alle produktionsnahen Abteilungen zusammengefasst. Dazu zählen wir neben der Produktionstechnik und dem Qualitätsmanagement auch den Einkauf und die IT-Abteilung. Dadurch erreichen wir einen nahtlosen Informationsfluss vom Kunden bis in die Produktion, ganz im Sinne von Industrie 4.0.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Fachkräftemangel? Gewinnt globales Sourcing für Sie eine stärkere Bedeutung?

Das Wichtigste sind die Mitarbeiter eines Unternehmens und die zugrundeliegende Unternehmensphilosophie, mit der sich die Mitarbeiter auch identifizieren können. Wir erleben es zunehmend, dass sich Bewerber gezielt für Pilz entscheiden, eben weil wir ein familiengeführtes Unternehmen mit eben solchen Werten und einer so ausgerichteten Philosophie sind. In Zeiten des Fachkräftemangels sind es eben auch die Soft-Facts eines Unternehmens, die überzeugen. Vor rund 15 Jahren war es hier schwierig, überhaupt Software-Ingenieure zu bekommen. Also informierte ich mich, wo es denn diese Ausbildungsgänge, wie wir sie benötigen, gibt, und stieß dabei auf eine Hochschule in Irland. Ich reiste dorthin, schaute mir diese genauer an und entschied mich für die Gründung einer Tochtergesellschaft, da wir es uns als Mittelständler damals gar nicht leisten konnten, diese Mitarbeiter nach Deutschland zu holen. Rückblickend bin ich mit dieser Entscheidung sehr zufrieden, da ich es besser finde, Menschen einen Arbeitsplatz in ihrer Heimat zu ermöglichen, damit sie und ihre Familien nicht aus dem eigenen Umfeld gerissen werden.

Wie integrieren Sie ihre globalen Teams, was ist für Sie dabei das wichtigste Element der Unternehmenskultur?

So, wie das Zusammenleben auch im Privaten durch gemeinsame Regeln und Verhaltenskonventionen geprägt ist, so basieren auch Unternehmen auf einem tradierten Wertefundament. Bei Pilz gründen diese auf christlichen Wurzeln. Zu den gelebten Werten gehören die gegenseitige Wertschätzung und der respektvolle Umgang gerade auch gegenüber anderen Kulturen. Es freut mich besonders, dass wir im Unternehmen mit seinen 40 Tochtergesellschaften mit den unterschiedlichsten Kulturen gut zusammenarbeiten. Das ist auch immer ein Punkt, der das Untermehmen weiterbringt und einen Schatz darstellt – dieses Lernen von anderen Kulturen. Bei Pilz ist Innovation ein entscheidender Teil der Unternehmensstrategie, denn wir sagen, dass nur Technologieführerschaft die Marktführerschaft sichert. Seit vielen Jahren investieren wir kontinuierlich 20 Prozent und mehr des Umsatz es in Forschung und Entwicklung.

 

Das Interview ist erschienen in:

“Krise, welche Krise? Internationalisierung in bewegten Zeiten”

Ernst Leiste, Tassilo Zywietz, Hans Gäng
ISBN: 978-3-9817242-1-9 im Buchhandel oder bei Amazon